[Beitrag aus der Beilage Unruhen in China, wildcat #80, Dezember 2007]
Ching Kwan Lee, Against the Law, Labor Protests in China’s Rustbelt and Sunbelt, University of California Press, Berkeley, Los Angeles, London, 2007
Die Autorin hat in Feldstudien die unterschiedlichen Protestformen der abgebauten ArbeiterInnen der Staatsbetriebe im Norden und der WanderarbeiterInnen im Süden untersucht. Wie der Titel nahelegt, insbesondere im Hinblick darauf, wie sich die ArbeiterInnen in unterschiedlicher Weise auf Gesetze, Vorschriften und die Behörden beziehen. Insofern hat die Autorin eine zu eng gefasste Perspektive. Dennoch unschätzbare Einblicke in die Art und Weise, wie Kämpfe entstehen, wie Kämpfe zirkulieren und auf die Akteure, die sie organisieren.
Humanismus in China. Die deutsche Ausgabe, 2006 bei der Edition Braus im Wachter Verlag erschienen, ist leider zur Zeit vergriffen.
In diesem Ausstellungskatalog zur gleichnamigen Fotoausstellung sind rund 600 Fotografien zu sehen. Die beeindruckenden Bilder der 250 verschiedenen Fotografen aus China erzählen offen und schonungslos von Armut und Elend, harter Arbeit, Krankheit, Einsamkeit, aber auch von schönen Momenten im Leben der Bauern und ProletarierInnen. In einer zeitlichen Spannweite der letzten fünf Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts entsteht ein ganz besonderer Blick auf den Alltag der Menschen in China und ihre gesellschaftlichen Bedingungen. Wer die Gelegenheit hat, sollte sich diese Fotos unbedingt ansehen!
Liu Jieyu, Gender and Work in Urban China. Women workers of the unlucky generation, London/New York, 2007. Geschlecht und Arbeit in den Städten Chinas. Die Arbeiterinnen der unglücklichen Generation
Dieses Buch basiert auf der Auswertung von Interviews mit städtischen Arbeiterinnen der Generation der Kulturrevolution (Jahrgänge etwa von 1945-60). Sie erlebten alle Umwälzungen auf Chinas Weg vom «egalitaristischen Kollektivismus» der Mao-Ära zur «sozialistischen Marktwirtschaft», mit weit verbreiteter Arbeitslosigkeit und wachsender Ungleichheit. In den Interviews wird deutlich, dass diese Frauen in jeder Phase ihres Lebens aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt und diskriminiert wurden (siehe auch den Artikel «Arbeiterinnen im maoistischen Patriarchat» in diesem Heft).
Elizabeth J. Perry, Mark Selden, Chinese Society, Second Edition. Change, conflict and resistance, London/New York, 2003. Die chinesische Gesellschaft, zweite Auflage. Veränderung, Konflikte und Widerstand
Eine Sammlung von Beiträgen über verschiedene Formen des Widerstandes gegen die Ausbeutung und die Folgen der Reformen in China. Neben dem Einleitungsbeitrag der HerausgeberInnen sind besonders die Artikel von Ching Kwan Lee (Pathways of labour insurgency: Pfade des Arbeiterwiderstands), von Hein Mallee (Migration, hukou and resistance in reform China: Migration, hukou und Widerstand im China der Reformen) und Wang Zheng (Gender, employment and women’s resistance: Geschlecht, Beschäftigung und Widerstand von Frauen) hervorzuheben.
Pun Ngai, Made in China. Women factory workers in a global workplace, Durham, NC, 2005. Made in China. Fabrikarbeiterinnen an einer globalen Arbeitsstätte
Die Autorin arbeitete Mitte der neunziger Jahre über ein Jahr in einer Elektronikfabrik in Shenzhen. In ihrem Buch zeigt sie, wie die dort arbeitenden jungen Frauen vom Land zu Fabrikarbeiterinnen werden. Pun ist der Meinung, dass in China eine stille soziale Revolution im Gange ist und diese jungen MigrantInnen dabei eine Hauptrolle spielen. Bezug nehmend sowohl auf Marx als auch Foucault untersucht sie die Ausbeutungsbeziehungen, die Machtmechanismen des Fabrikregimes und die Formen der Regelverstöße und des Widerstandes – vom unvermeidbaren Konflikt zwischen den Zeitrhythmen des weiblichen Körpers und dem Zeittakt der Fabrik, von Krankheiten und Menstruationsschmerzen, bis hin zu Aktionen des Aufbegehrens und Streiks. (Ein Kapitel des Buches findet sich in Pun Ngai/Li Wanwei: dagongmei – Arbeiterinnen aus Chinas Weltmarktfabriken erzählen. Berlin, 2008)
Pun Ngai/Li Wanwei, Shiyu de husheng. Zhongguo dagongmei koushu, Beijing, 2006; Deutsch: dagongmei – Arbeiterinnen aus Chinas Weltmarktfabriken erzählen. Berlin 2008
Die beiden Autorinnen haben in Shenzhen Geschichten von Chinas jungen Fabrikarbeiterinnen gesammelt, den dagongmei, die ihre Dörfer verlassen, um in den Weltmarktfabriken zu arbeiten. Diese sprechen über ihre Erwartungen, wenn sie in die Stadt kommen, über harte Bedingungen und lange Arbeitszeiten, die giftige Arbeitsumgebung und Unfälle, über Lohnraub und Erniedrigungen. Sie wollen der Ignoranz und Diskriminierung der Behörden und dem langen Arm der patriarchalen Familien trotzen und versuchen, Kontrolle über ihr eigenes Leben zu gewinnen. Gegen die Despotie der Fabrikleitungen finden sie zusammen, organisieren Bummelstreiks und Demonstrationen.
Orville Schell, Das Mandat des Himmels. China: Die Zukunft einer Weltmacht, Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 1995. Im Original: Mandate of Heaven: A New Generation of Entrepreneurs, Dissidents, Technocrats, and Bohemians Grasp for Power in China, Simon & Schuster, New York, 1994
Das Buch handelt von der Tian’anmen-Bewegung 1989 und deren Folgen für die Akteure und für die chinesische Gesellschaft. Schell war Augenzeuge der 89er-Ereignisse, er schreibt kenntnisreich und spannend. Man wird ganz mitgerissen, obwohl man den tragischen Ausgang ja kennt. Wichtig ist vor allem seine Darstellung der Tian’anmen-Bewegung nicht nur als Studentenprotest, sondern als echter Volksaufstand. Nach der bleiernen Zeit, die dem 4. Juni folgt, entfaltet sich das chinesische Wirtschaftswunder mit seiner unsäglichen Geschäftemacherei. Zwar lassen politische Freiheiten weiter auf sich warten, aber die persönlichen Freiheiten werden größer.
Jackie Sheehan, Chinese Workers: A New History, London, 1998.
Der Arbeiterkampf war in den Zeiten des Maoismus mitnichten obsolet. Sheehan folgt in ihrem Buch den Linien der Unruhen der städtischen Arbeiterschaft von 1949 bis 1994, die immer wieder mit den Parteikadern aneinander gerieten und für ihre Interessen kämpften. In diesem Zeitraum spielten sie in fast allen Mobilisierungen und Bewegungen eine Rolle, ob die nun unter dem Banner der «Kulturrevolution» oder der «Demokratie» liefen.
Jonathan D. Spence, The Search for Modern China, Second Edition, W. W. Norton & Co, New York, 1990/1999; deutsch: Chinas Weg in die Moderne, Carl Hanser, München, 1995
Die jüngere Geschichte Chinas von den späten Ming bis 1990. Für Anfänger unbedingt zu empfehlen, aber auch ein Buch, in dem man mal etwas nachschlagen kann. Spence schafft es, die Entwicklungen im politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Zusammenhang darzustellen. Und dabei ist es nicht nur informativ, sondern auch leicht zu lesen. Heute machen zehn Jahre ein Buch zu einem alten Buch, nach neueren Forschungen könnten einzelne Punkte oder Zusammenhänge anders beurteilt werden. Einen gleichwertigen oder gar besseren Ersatz für diesen Klassiker gibt es aber noch nicht.